Donnerstag, 13. Juni 2013

Im hohen Norden - Weinanbau in Warkworth

Wie immer genoß ich die Fahrt zu meinem neuen Arbeitsplatz. Besonders, wenn ich, wie heute, mit dem Bus unterwegs war. Ich war schon gespannt, wie es auf dem Weingut in Warkworth, "Bricks Bay" genannt, zugehen würde.

Langsam änderte sich die Landschaft. Während in Stadtnähe noch gepflegte Gärten mit englischem Rasen, ordentlichen Blumenbeeten und gestutzen Hecken zu bewundern gewesen waren, konnte man nun die ursprüngliche, wilde Seite des Landes erahnen. Es waren noch keine wirklichen Wälder - eher hoch gewachsenes Unterholz, aber zumindest bakam man ein Gefühl dafür, welche Mühe es die ersten Siedler gekostet haben musste, diese Wildnis zu zähmem (und in diesem Zustand zu halten).
Nicht, dass ich Mitleid mit ihnen hatte. Wie konnte man in nur zwei Jahrhunderten das Gesicht eines kompletten Landes so zum Negativen ändern? Ich zumindest, habe Neuseeland noch nie mit Urwäldern in Verbindung gebracht. Aber genau so sah es ursprüngwohl einst aus, als nur Maori hier lebten, auch wenn man jetzt an die Bilder von Schafen auf gestutzem Rasen und Hobbits in sonnenbeschienenen Grashügelhäusern gewohnt ist.

Nach etwa einer Stunde - an beide Seiten der Straße grenzten nun nur noch Bäume und Dickicht - sah ich endlich mein erstes "Vorsicht, Kiwis" Warnschild. Natürlich war die Gafahr, einen dieser Vögel zu überfahren, um diese Uhrzeit mehr als unwahrscheinlich, da sie nachtaktiv und äußerst selten geworden sind. Aber es versetzte mich in gute Stimmung nun in ihrer "Nachbarschaft" zu wohnen.

Ich traf mich mit Brian, meinem neuen Arbeitgeber, vor einem großen Einkaufszentrum, direkt gegenüber der Busstation, nachdem ich mich für die nächsten paar Tage noch mit Lebensmitteln eingedeckt hatte.
Da ich die Konditionen nicht kannte, unter den ich nun für ein paar Wochen leben würde, beschränkte ich mich auf haltbare Nahrung (wie Obst, Brot und Käse), die ich zur Not auch ungekühlt würde lagern können. Nur eine Packung Milch für mein Müsli und die tägliche Tasse Earl Grey nahm ich wagemutig mit.
Brian hatte mir nämlich am Telefon gesagt, dass bereits ein Backpackerpaar aus der Slowakai, eine Taiwanesin, drei Kiwis (Neuseeländer) und seine Freundin (eine Deutsche) auf Bricks Bay arbeiteten. Wer weiß wie viel Platz im Kühlschrank ich also zugestanden bekommen würde?

Ich wurde mit einem dieser kleinen weißen Laster, die nur zwei Vordersitze und eine Ladefläche besitzen, abgeholt. Was ich auf Letzterer für eine angekettete Ziege hielt, entpuppte sich als großer Hund, der auf den Namen "Bloyd" hörte. Jedenfalls glaube ich, dass man ihn so schreibt. Der Hund gehörte Brians Freundin Annett, die seit ein paar Jahren in Neuseeland lebte. Obwohl sie Deutsche war, unterhielten wir uns nur auf Englisch - zum Einen aus Höflichkeit sollte jemand zuhören, aber auch, weil es nervig war, ständig die Sprache zu wechseln. Schließlich war ich nicht hier, um mich in meiner Muttersprache zu üben.


Einen ersten Überblick über das Weingut bot sich mir, als wir durch das Tor fuhren. Die Straße lag etwas höher, als mein zukünftiger Arbeitsplatz und so konnte ich einen raschen Blick auf das Meer, sowie die grünen Hügelchen erhaschen, auf denen sich die Weinreben ordentlich aneinanderreihten. Am Fuße eines Hügels fläzte sogar ein kleiner See, in dessen Mitte, brückengleich, ein langes Glasgebäude errichtet worden war. Es erinnerte an ein Gewächshaus, war aber tatsächlich ein Café. Unmittelbar daneben war eine große Fläche geebnet und zubetoniert worden und diente nun als Parkplatz.
An all dem fuhren wir vorbei, weiteren Hügel hinauf und hinunter, hin und wieder über einige Metallgitter (welche die Schafweiden effektiver als eine Mauer einzugrenzen, da die Tiere das Gitter nicht überqueren konnten), bis wir schließlich eine kleine Gebäudegruppe hinter einem der letzten Hügel erreichten. Dort trafen wir das gesamte Team bei ihrer ersten "smoko" an. (Als "smoko" werden hier die zehnminütigen Pausen bezeichnet, in denen die Arbeiter eine Zigarette rauchen und einen Kaffee trinken können. Es gibt zwei bis drei dieser Pausen - je nach Länge des Arbeitstages. Normalerweise gegen 10:00 Uhr morgens und 3:00 Uhr mittags.)

Wie sich herausstellte, befand sich mehr als genug Platz im Kühlschrank für meine Einkäufe, da in der unmittelbaren Umgebung der Küche und des Gemeinschaftsraumes, nur das Slowakische Pärchen, und die Taiwanesin wohnten. Jeder von uns hatte ein eigenes Zimmer in verschiedenen Holzbaracken, auch wenn in jedem davon bis zu drei Betten standen. In der Hochsaison war dieser Ort wohl für einen Haufen Helfer vorgesehen.

Brian und Annett lebten in einem hübschen Haus, etwa fünf Minuten entfernt auf einem anderen Hügel (mit Meerblick) und die drei Kiwis im Dorf, bzw. einem ausgebauten Autobus.

An meinem Ankunftstag musste ich noch nicht arbeiten. Ich richtete mich also stattdessen häuslich ein und erkundete die Umgebung.
Es gab ein paar Gehege mit Nutztieren, wie Enten, Hühnern und ein Mutterschwein mit drei Ferkeln. Sie alle würden über kurz oder lang im Kochtopf enden. Immerhin gab es dank der Hühner jeden Morgen ein frisch gelegtes Frühstücksei.

Das Meer war nicht weit entfernt und ich nahm mir vor, an meinem nächsten freien Tag eine kleine Wanderung dorthin zu machen. (Dies verschob sich jedoch auf meine letzte Woche)


Die Trauben, der Wein und das Glascafé waren die Haupteinnahmequellen.
Eine andere Attraktion, die vor allem die Leute bewegen sollten, sich hierherzubegeben, war der Künstlerpfad.

Dabei handelte es sich um einen kleinen Trampelpfad, der sich um die Hügel und durch einen künstlich angelegten Wald schlängelte. (Der Wald war mit einheimischen Pflanzen hochgezogen worden und sollte die Besucher in die Zeit vor der Besiedlung versetzen.) In Sichtweite oder in unmittelbarer Nähe dieses kleinen Weges konnte man verschiedene Plastiken und Skulpturen bewundern, die von Neuseeländischen Künstlern hergestellt worden waren. Einige davon gefielen mir sogar sehr gut - darunter drei riesige, kunterbunte Windräder auf der Spitze eines Hügels und einige sehr schlicht gehaltene Metallvögel. Alles natürlich unerschwinglich. Wenn ich mich richtig erinnere kostete eines der Windräder um die 50.000 Dollar.

Ich hatte gehofft, hier viel über den Weinanbau und das Keltern von Wein zu lernen, aber leider wurde ich in dieser Hinsicht enttäuscht. Wir arbeiteten sechs Tage pro Woche, aber an mindestens fünf davon, wurde unsere Hilfe nur für das Jäten der Blumenbeete, der Gartenanlagen oder der Grünflächen benötigt. Uns wurde anhand der Größe der unerwünschten Pflanzen klar, dass diese Unkrautbeseitigung nur einmal im Jahr durchgeführt wurde - und dann alles auf einmal von Anfang an - anstatt sie in diesem Zustand zu halten (was meiner Ansicht nach weitaus einfacher gewesen wäre). Andererseits wurde unsere Hilfe, dafür, dass wir nur Diesteln ausrissen, überaus großzügig bezahlt. Daher hielten wir lieber den Mund.


Ab und zu halfen wir auch dabei, die Netze, die über die Weinreben gespannt worden waren einzuholen und in Säcke zu stopfen.
Natürlich nur von denen, die keine Trauben mehr hatten, da die Netze als Vogelschutz dienten.
(In meinen Augen waren sie aber eher gemeine Fallen, den wir fanden mehrere tote Tiere, die sich in den Maschen verstrickt hatten. Ein Huhn und ein Pekaküken konnten wir allerdings - wenn auch etwas zerrupft - daraus befreien)


An jedem Samstag gab es eine willkommene Abwechslung: Wir wurden auf die Weinhügel zum Ernten gerufen. Da wir für diese Tätigkeit zu wenig Hände hatten, rekrutierte Brian zusätzlich einige der Anwohner - zumeist ältere Kiwis.
Wir fingen früh am Tage an, wenn die Wiesen noch feucht von Morgentau waren, ausgerüstet mit je einem Plastikeimer, Seitenschneider und Handschuhen. Damit arbeiteten wir uns Reihe um Reihe voran und knipsten die, durch die Sonne zu einem satten dunkelviolett gereiften Weinreben ab. Jene, die von Insekten und Vögeln angefressen, oder von der Sonne ausgedörrt worden waren, ließen wir einfach zu Boden fallen, wo sie entweder verrotteten, oder von Bloyd dankbar verspeist wurden. (An diesem Tag wurden die Tretminen, die er legte, gefährlicher als sonst.) Während unserer ersten smoko fuhren wir alle zum Glascafé und wurden dort mit Muffins, Kuchen und Kaffee bewirtet. Ein Grund mehr, warum ich die Erntetage so genoß.

Ich verbrachte fast einen Monat auf Bricks Bay, aber da wir fast nur jäteten, gibt es leider nicht sehr viel anderes über diese Zeit zu berichten. An unserem freien Tag erledigten wir meistens nur unsere Einkäufe für die kommende Woche, kochten etwas Leckeres oder lagen einfach nur auf der faulen Haut.
Eines Abends wurden wir zu Brian und Annett eingeladen. Wir tranken Bier und unterhielten uns, aber ich machte mich recht bald vom Acker, weil alle anderen dazu tendierten, sehr viel zu Rauchen - besonders ein spezielles unangenehm riechendes Kraut.
An einem anderen Tag gingen wir nach Feierabend alle zusammen zum Strand, sonnten uns und nahmen ein kurzes Bad im kalten Wasser. Und einmal fuhr ich mit Annett alleine ins nächste Dorf und wir sahen uns im Kino "der Zauberer von Oz" an.

Allerdings gab es ein langes Wochenende vom 29. März bis 1. April, aufgrund von Karfreitag und Ostermontag. Und da ich keine Ahnung hatte, ob sie eine solche Chance noch einmal bieten würde, beschloss ich, an diesem Wochenende den Norden zu erkunden. Den Freitag brachte ich mit Planen und Erholen zu: Ich buchte meinen Bus nach Whangarei und zurück, rief beim lokalen Shuttleunternehmen an (um mich in Bricks Bay aufzulesen und nach Warkworth zur Haltestelle zu fahren) und meldete mich für eine Schnorcheltour zu den "Poor Knights Islands" (Arme-Ritter-Inseln) - inklusive Shuttletransport zum Tutukaka-Campingplatz am Sonntag und einen Fallschirmsprung über den "Whangarei Heads" am Montag an.
Am Samstag stand ich in aller Frühe auf, packte die notwendigen Sachen, wie Badeanzug, Windjacke und Zelt zusammen und machte mich auf zur Hauptstraße, wo mich der Shuttlebus auflesen und für nur 2 Dollar in die Stadt bringen würde. Allerdings ging dieser Teil des Plans nach hinten los - hauptsächlich durch meine eigene Schuld, da ich nicht wusste, welche der beide Straßenspuren nach Warkworth führten. Somit hatte ich auch keine Ahnung, auf welcher Seite ich nach dem Bus Ausschau halten musste. Einer fuhr an mir vorbei, hielt aber trotz Winken nicht an. Die Uhr tickte und es war schon fast eine Halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit, als ein Auto neben mir hielt. Ein altes Ehepaar mit Hund erkundigte sich, warum ich hier im Regen stand (ja es regnete und ich sah aus wie ein begossener Pudel - habe ich vergessen zu erwähnen).
Ich erklärte ihnen meine Misere und obwohl sie gerade aus der Stadt kamen, hatten sie soviel Mitleid mit mir, dass sie umkehrten, mich einluden und bis zur Busstation brachten!
Ab hier ging alles mehr oder weniger glatt. Ich kam pünktlich in Whangarei an, aber auch mein Shuttlebus zum Campingplatz verspätete sich um fast drei Stunden. Glücklicherweise hatte ich nichts Weiter für diesen Tag geplant und so wartete ich mehr oder weniger geduldig. Endlich im Holiday Park von Tutukaka angekommen, baute ich mein kleines Zelt auf und ging zum Tauchclub um meine Ausrüstung zu mieten und den Ausflug zu bezahlen. Leider durfte ich nicht Tauchen, weil ich dazu die Einverständniserklärung meines Arztes benötigt hätte und ich zu ehrlich war, um die Tumoroperation zu verschweigen. Aber mir wurde versichert, dass es auch ohne Sauerstoffflasche ein tolles Erlebnis werden würde.

Die Schnorcheltour war wirklich wunderschön. Wir fuhren mit einem großen, zweistöckigen, yachtartigen Motorboot hinaus zu den Poor Knights Island. Keiner wusste bestimmt, warum sie so hießen. Aber es gibt Vermutungen. Einige sind der Meinung, die Inselgruppe sähe von Weitem so aus, wie die Silhouette eines liegenden Mannes in Rüstung mit Schild, die anderen glauben, sie erinnern eher an die Süßspeise "Armer Ritter". Aber entscheidet selbst:



Mich faszinierte eher die Tatsache, dass das Betreten der Inseln (aufgrund der steilen Küsten ohnehin fast unmöglich) verboten war. Sie sind ein Naturreservat, inklusive des Riffs, denn viele Vögel, eine Ureidechsenart und tropische Fische leben dort. Früher siedelten Maori dort, aber sie kamen fast alle bei einem Massaker mit einem anderen Stamm um.
Endlich ging es ins Wasser und wir zogen unsere Neoprenanzüge an. Das war etwas unangenehm, denn sie waren vom letzten Tauchgang noch klatschnass, und das Hineinschlüpfen gestaltete sich als sehr schwierig. (In etwa, als wolle man einen nassen Schlafsack in seine Hülle zwängen.) Der Anzug bestand aus zwei Teilen - Latzhose und einer Art Babybody mit Reißverschluss, den man geschmackvoll über der Hose trug. Meine Gänsehaut hatte zudem die Wirkung von Radiergummi und ich war schweißgebadet, als ich es endlich geschafft hatte. Steif richtete ich mich auf. Meine Arme standen zur Seite ab und ich fühlte mich 30 Kilo schwerer. Aber im Wasser wurde es glücklicherweise besser. Es war sehr kalt und ich war froh, die Anstrengung in Kauf genommen zu haben. Tatsächlich sah man auch als Schnorchler sehr viel. Ich schwamm durch Algenwälder und begegnete vielen bunten Fischschwärmen. Als ich mich später in der Mittagspause mit den Tauchern ausstauschte, bekam ich sogar den Eindruck, die bessere Wahl getroffen zu haben. Sie hatten nicht besonders viel Außergewöhnliches gesehen und zudem 150 Dollar mehr bezahlt als ich.

Wir kurvten etwas um die Inseln herum, besichtigten eine große Höhle und machten einen weiteren Stop, um eine andere Stelle tauchend erkunden zu können. Diesmal blieb ich nur etwa eine halbe Stunde im Wasser, dann nahm ich ein anderes Angebot wahr und lieh mir ein Kajak. Paddelnd genoß ich die warme Sonne und ließ mich unter den Steinbögen hindurchtreiben.
 

Die Nacht im Zelt war sehr mückenreich. Ich weiß nicht, durch welche Löcher sie schlüpften, aber während ich versuchte, im Schein meiner Stirnlampe zu lesen, erlegte ich vier davon.
Am Sonntag rief ich bei der Skydive-Organisation an, um mich nach dem Wetter und den Chancen zu erkundigen, dass es heute möglich war. Tatsächlich hatte ich Glück und so packte ich zusammen und nahm den Shuttlebus zum Flughafen von Whangarei.

Es war ein winziger Flughafen - nur für nationale Transporte. In der Nähe der Landebahn befand sich das kleine, orangene Gebäude der Organisation. Ich musste warten, da das kleine Flugzeug gerade Gäste nach oben beförderte. Auch hier musste ich eine Einverständniserklärung unterschreiben und mich für die Höhe entscheiden (8.000, 10.000 oder 12.000 Meter) Ich wählte die goldene Mitte, was mich 300 Dollar kostete und harrte, nun schon etwas aufgeregt aus. Von unten beobachteten wir, wie über uns nach und nach kleine farbige Punkte am blauen Himmel erschienen. Die Fallschirme hatten sich geöffnet. Es sah toll aus, wie sie zwischen den großen, flauschigen Wolken gen Erde schwebten und ich wurde immer ungeduldiger.


Endlich landete das kleine Flugzeug, mir wurde der Tragegurt umgeschnallt und ich bekam eine Fliegermütze und Schutzbrille. Dann kletterten ich, mein Tandempartner (der den Fallschirm öffnen und lenken würde), ein qualifizierter Alleinspringer und der Pilot in die winzige Kabine. Innen befand sich nur der Sitz für den Piloten, alle anderen waren herausgenommen und die Wände vertrauenserweckend mit blauem Klebeband versehen worden. Der Flug war unruhig aber spannend. Auf 8.000 Meter wurde die kleine Tür aufgerissen, ein starker Luftzug fegte durch die Kabine und der Alleinspringer stürzte sich in die Tiefe, während sich das Flugzeug immer weiter hinaufschraubte. Nach wenigen Minuten war es endlich soweit, mein Tandempartner (der sehr stark nach Zigaretten und Kaffee roch) hakte meinen Gurt vor den seinigen befestigte einige Gurte zwischen uns und ich bekam derweil meine Instruktionen zugebrüllt. Füße fest auf das Trittbrett! Nach hinten lehnen! Beine anwinkeln! Fallen lassen! Party (Spaß haben)!
Schon das erste war kaum umzusetzen, da der Wind derartig stark an meinen Beinen riss, dass ich sie kaum auf dem Trittbrett halten konnte. Zum Glück saß mein Partner noch hinter mir in der Kabine, sonst wären wir wohl fortgeweht worden. Ich hielt mich trotzdem am Flugzeugträger fest. Es wurde noch irgendetwas zurechtgeruckelt und dann befanden wir uns auch schon kopfüber im freien Fall. Mein Partner drehte uns um 180° und animierte mich dazu, Freudenjuchzer auszustoßen. Er zeigte nach unten und schrie mir irgendetwas über die Landschaft ins Ohr, das ich nur halb verstand. Ich wollte vor allem das Gefühl der Erdanziehung und der Geschwindigkeit genießen und nickte geistesabwesend. Leider war es viel zu schnell vorbei und nach 40 Sekunden öffnete er den Fallschirm. Es gab einen gewaltigen Ruck und wir wurden nach oben gezogen. Danach schwebten wir fast acht Minuten lang sanft zu Boden, der Wind brauste um meine Ohren und ich finde einfach keine Worte um dieses Gefühl zu beschreiben, nichts unter den Füßen zu haben, aber dennoch komplettes Vertrauen in die Tatsache, heil unten anzukommen.
Die Euphorie dieses Erlebnisses hielt noch auf der ganzen Busfahrt zurück nach Warkworth an.

Brian hatte mir nicht gesagt, wie lange ich für ihn würde arbeiten können. Daher dachte ich zunächst, es sei ein Scherz, als er mir nach etwa drei Wochen während unserer Smoko mitteilte, dass er mich nur noch drei Tage brauchen würde. Hier hatten alle einen ausgesprochen sarkastischen Humor, deshalb nahm ich es nicht ernst und lachte nur. Nun jedoch interessiert, fragte ich ihn nun, wie lange er mich (ernsthaft) zu beschäftigen gedenke. So erfuhr ich, dass es tatsächlich nur noch drei Tage sein würden, was mich etwas ernüchterte. Es wäre doch höflich gewesen, mich ein bisschen eher zu informieren, damit ich mir einen neuen Job würde suchen können. Allerdings meinte Brian, ich könne so lange auf Bricks Bay wohnen bleiben, bis ich etwas gefunden hätte.

So machte ich mich noch am selben Abend auf die Suche und klapperte die schwarzen Bretter im Internet ab.

Ich brauchte noch mindestens zwei weitere Monate im Gartenbau, um mein Visa verlängern zu können und deshalb schränkte ich meine Suche auf Erntehilfe und Packhausarbeit ein. Leider gab es nicht viel Auswahl. Viele hatten ihr Team schon zusammen.

Letztendlich bekam ich aber doch noch eine positive Antwort aus Te Puke, einem Kiwianbaugebiet an der unteren Ostküste. Es wurden dringend Leute für die Ernte gesucht.
Mich verwunderte nur etwas der Arbeitgeber. Es war kein Plantagenbesitzer, sondern ein Backpackerhostel. Dieses hatte wohl Kontakt mit einigen Kiwibauern und die Bedingugen verursachten mir einige Magenschmerzen. Zum Beispiel, dass man nach erfolgreichem Vertragsabschluss dazu verdammt... ich meine natürlich, sich dazu bereit erklärte, in ebenjenem Hostel wohnen zu bleiben - denn andernfalls würde die Miete für die komplette Saison von der Kreditkarte abgebucht werden, deren Daten praktischerweise schon zuvor eingeholt worden waren!
Doch vielleicht war das hier ja so üblich und ich brauchte mir keine Sorgen zu machen. Ich versuchte also, nicht weiter darüber nachzugrübeln und der Angelegenheit zu vertrauen. Immerhin war das die einzige Zusage, die ich bisher bekommen hatte. (Später meldete sich zwar noch ein anderer Weingartenbesitzer, der Erntehilfen suchte, aber dieses Jobangebot war auf nur eine Woche begrenzt und ich wollte etwas Neues ausprobieren.)

Ich packte am Wochenende also wieder einmal meine Sachen und buchte mein Busticket nach Te Puke.


P.S.: Ich würde mich über ein paar Kommentare freuen, wenn ihr meinen Blog noch immer regelmäßig verfolgt. Ich weiß nicht, wer das überhaupt noch tut. Aber Anregungen für die nächsten Berichte, Kritiken, Wünsche oder Fragen sind immer willkommen. Es würde mich auf jeden Fall motivieren, diese Seite auf dem Laufenden zu halten. Ohne Feedback ist das ein bisschen, als würde ich mit mir selber reden... Danke. :)