Dienstag, 21. Mai 2013

Zurück ans andere Ende der Welt



Unwirklich.
Das war das Erste, was mir durch den Kopf ging, als ich den Flughafen in Auckland verließ und im Shuttlebus zum Hostel saß. Ich starrte aus dem Fenster und sah die nun schon vertraute Landschaft vorbeifliegen.
Vor einigen Stunden war ich noch in Korea bei meinem Freund gewesen und nun, ohne Rücksicht auf meine Hormone, die gar nicht wussten wie ihnen geschah, bereits weiterkatapultiert in eine komplett andere Kultur, die zugleich fremder und doch näher verwandt mit meiner eigenen war, als die Ostasiatische. Nach einer Woche 24/7 mit ihm musste ich mich erst wieder daran gewöhnen, allein zu sein. Dennoch dauerte es ein paar Wochen, bis mir das gelang und ich ihn nicht mehr allzu schmerzhaft vermisste...

Das Taxi setzte mich vor meinem ehemaligen Hostel ab, wo die ganze Miesere begann und ich hätte nun eigentlich euphorisch sein sollen. Wie oft hatte ich mir vorgestellt, wie es sein würde hierher zurückzukommen, um abzuschließen, was ich vor einem halben Jahr begonnen hatte. Gefühle des Triuphes waren stets ein Teil dieser Vorstellung gewesen, doch wie so oft sah die Realität ganz anders aus.
Diese Erkenntnis schockierte mich etwas. Hatte ich diese Gefühle nicht eigentlich verdient, nach allem, was ich daran setzte, um schnellstmöglich wieder in Neuseeland zu sein? Doch meine Stimmung änderte sich einfach nicht, egal wie oft ich mir vor Augen hielt, dass ich tatsächlich wieder HIER war.

Natürlich war ich froh, dankbar und auch ein bisschen stolz, dass sich alles zum Guten gewendet hatte. Auckland! Vor sechs Monaten hatte ich versucht mich damit abzufinden, dass dieser Ort das erste und einzige war, dass ich je von Neuseeland zu Gesicht bekommen würde. Zumindest in den nächsten zehn Jahren. Immerhin gab es noch andere Länder die mich ebenso reizten, wenn nicht gar mehr.
Dennoch war mir klar gewesen, dass ich nur mit diesem Ziel erreichen konnte, was ich wollte: Eine schnellstmögliche und komplette Genesung. Und es schien geholfen zu haben. Immerhin war ich nach nur zwei Monaten nach der Operation wieder unterwegs! :)

Nun doch erheblich beschwingter betrat ich das Hostel, in dem ich die Wochen vor meiner überstürzten Abreise verbracht hatte und meldete mich zurück. Der Verwalter, mit dem ich während der ganzen Zeit meiner Abwesenheit Kontakt gehalten hatte, empfing mich wie eine verschollene Verwandte und auch die Besitzerin Yaping begrüßte mich herzlich. Noch bevor ich mein Gepäck aufs Zimmer bringen konnte, wurde mir ein Job angeboten. Drei Stunden Arbeit am Tag im Austausch für die Miete. Dankbar nahm ich an. Das würde mir ein erstes Erfolgsgefühl geben und zugleich meine Ersparnisse schonen, bis ich einen Vollzeitjob gefunden hätte.
Drei Tage lang verrichtete ich also Dinge im Haushalt: Ich schrubbte die alten, vergammelten Kühlschränke, bis sie wieder wie neu aussahen, saugte die Flure und ordnete Bücherregale.



Während dieser Zeit erledigte ich auch die Dinge, zu denen ich vor dem Abflug nicht mehr gekommen war: Ich änderte das PIN-Problem meines Mobiltelefons, bewarb mich bei verschiedenen Arbeitgebern auf "backpackerboard.co.nz" und besorgte mir endlich meine IRD-Nummer.
Letzteres ging überraschend glatt. Nach der Arbeit fuhr ich mit dem Bus ins 30 Minuten entfernte Manukau City Center und stellte mich an den Schalter. Telefonisch war dies leider nicht möglich gewesen, da die Leitung ständig besetzt oder Mittagspause war.
Doch ich bekam von der netten Dame am Empfang nicht nur einen Termin, sondern diesen auch noch unverzüglich! Nach Durchsicht meiner Unterlagen überreichte mir eine andere Angestellte nach wenigen Minuten eine Visitenkarte mit einer Zahlenkombination, die ich ihr laut vorlesen musste. Erst auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck hin erklärte sie dazu, dass ebenjene bereits meine ersehnte IRD-Nummer sei.
Ich hatte keine Ahnung, dass dies so schnell möglich war. Die Erfahrungen meiner Bekanntschaften hatten mich auf eine Wartezeit vorbereitet. Sie alle hatten bis zu zwei Wochen ausharren müssen, bis die Nummer erstellt worden war. Doch vermutlich erhielten Backpacker, die die Mühe nicht scheuten und persönlich vorbeikamen eine Sonderbehandlung. Grinsend fuhr ich nach Mt. Eden zurück.

Am nächsten Morgen, während ich im Garten die Rosenbeete jätete, erhielt ich einen Anruf aus Warkworth. Dort hatte ich mich um einen Job bei der Traubenernte beworben und bekam nun die Zusage dafür. Natürlich nahm ich sofort an und versprach, gleich den Bus am folgenden Tag gen Norden zu nehmen.
(Meine halbjährige Abwesenheit galt leider nicht für mein Working Holiday Visa, das weitergelaufen war, als hätte ich Neuseeland nie verlassen. Somit waren fünfeinhalb Monate meiner Aufenthaltserlaubnis verloren, die ich nicht zurückbekommen würde. Von der Botschaft hatte ich jedoch auf Nachfrage die Information erhalten, dass ich das Visum um ein Vierteljahr verlängern könne, wenn ich drei Monate im Gartenbau (horticulture) tätig war. Dazu zählte also natürlich auch Erntehilfe.)

Glücklicherweise war es kein Problem den Job im Hostel bereits nach drei Tagen an den Nagel zu hängen. Sie hatten ihn mir ohnehin nur angeboten, um mir zu helfen und den Stress zu reduzieren. Eigentlich brauchten sie nicht unbedingt Hilfe. Also organisierte ich mir ein Busticket und packte meine Sachen...